-Dietrich Harhues-SENDEN. Kontakte rund um den Globus – auf dem Bildschirm in sozialen Netzwerken ist das schon Alltag. Doch Henning Stemmer pflegt eine Freundschaft über fast 10 000 Kilometer Entfernung nicht nur in der virtuellen Welt, sondern durch regelmäßige Besuche. So wie gerade jetzt. Denn Oscar Caceros aus Guatemala ist bei dem Sendener noch bis Donnerstag zu Gast. Mit einem Schüleraustausch zwischen dem Joseph-Haydn-Gymnasium (JHG) und einer Gruppe aus Guatemala City fing das inzwischen sehr vertraute Verhältnis vor sieben Jahren an.
Wer damals dachte, dass die internationale Begegnung als Eintagsfliege endet, sieht sich getäuscht. Zumindest in diesem Fall. Der Abstand, der nur durch einen relativ teuren Flug zu überwinden ist, stand der Freundschaft nicht im Weg. Im Winter 2010 landete Oscar Caceros in Senden.
Im Sommer 2011 setzte sich der Sendener in den Flieger, um einen Monat bei der Gastfamilie zu verbringen. Nicht nur ein touristisches Programm stand auf der Agenda, sondern auch die Teilnahme an dem Sozialprojekt „Un Techo para mi país (übersetzt: Ein Dach für mein Land). „Das war für mich ein prägendes Erlebnis“, erinnert sich der damalige Gymnasiast. Er erlebte hautnah Armut, die er aus Deutschland nicht kannte, erkannte aber auch, „wie glücklich vor allem die Kinder mit sehr wenig waren“.
Es vergingen ein paar Jahre bis zum nächsten Besuch: ein Auslandssemester in Kolumbien führte den Sendener für einen Monat auch wieder nach Guatemala. Dass sich nicht nur Henning und Oscar verstehen, sondern auch ein vertrautes Verhältnis zu beiden Familien gewachsen ist, hat die Aufenthalte erleichtert.
Die Phasen zwischen den Besuchen überbrückten die Freunde mit Skype, Facebook und WhatsApp. „Das macht es einfacher, über die Distanz und über die Jahre den Kontakt zu halten“, sieht der Sendener, der Wirtschaft und Recht an der Uni Münster studiert, die Vorzüge der modernen Netzwerke.
Mit sieben Jahren Abstand ist Oscar Caceros jetzt seit Ende November wieder bei Henning Stemmer in dessen Studentenbude und mit ihm bei den Eltern in Senden zu Gast. Amüsantes Deja-Vue: Beide Male bescherte der Winter reichlich weiße Pracht, die der Besucher aus Mittelamerika bis zu seiner ersten Deutschland-Reise gar nicht „live“ kannte. Das Besuchsprogramm war breit: es reichte von Berlin bis Billerbeck und vom Stadionfeeling auf Schalke (gegen Augsburg) bis zum Tannenbaum-Schlagen.
Oscar liebt an Deutschland, außer Schokolade und Döner, vor allem, die Verkehrsinfrastruktur und die öffentliche Sicherheit: „Man kann auch nachts ohne große Sorgen zu Fuß nach Hause laufen.“ Allerdings, so der Eindruck des Lateinamerikaners, seien die Menschen in Deutschland insgesamt „etwas ernster und weniger entspannt“ als in seiner Heimat. Ein Eindruck, den Henning bestätigt. Ihn faszinieren die lebensfrohen Menschen, die gastfreundliche und offene Kultur, der Zusammenhalt in den Familien sowie die „unglaubliche Landschaft und Natur“ in Guatemala, wo zugleich Umweltzerstörung ein gravierendes Problem geworden sei. Und: Außerhalb der Wohnviertel, in denen die wohlhabenden Familien leben, lauern Gefahren. „Man muss schon aufpassen, wo man sich bewegt“, betont der 23-Jährige.
Sprachbarrieren standen der Freundschaft nicht entgegen. Denn Oscar, der eine österreichische Schule in Guatemala-City absolviert hat, spricht Deutsch und Henning verbesserte über die Jahre immer mehr sein Spanisch.
Weitere Besuche zeichnen sich ab: „Das jeweils andere Land und die Kultur gefallen uns so gut, dass wir gerne häufig wiederkommen wollen“, sind sie sich einig.